.
 Unterwegs nach Noto

.

Gegründet 263 v.Chr., in einer Zeit, in der viele Städte auf Sizilien gegründet wurden. In Mitteldeutschland gilt eine Stadt als sehr alt, wenn sie noch im 1. Jahrtausend n. Chr. entstanden ist. Was für ein kultureller Unterschied, das Mittelmeergebiet und das heutige Territorium von Deutschland? Noto, in der Provinz Syrakus gelegen, hat 24000 Einwohner. Die heutige Stadt, im Stil des sizilianischen Barock erbaut, wurde 1730 neu gegründet. 1693 hatte ein Erdbeben das alte Noto komplett zerstört. Also wurde was Neues hingebaut, planvoll, mit rechtwinkligen Straßen. Das Baumaterial war Kalktuff. Das Tor, die "Porta Reale", die Kathedrale von Noto, Cisea di San Domenico, Palazzo Villadorate u.a. erstrahlen durch das helle Baumaterial auch heute noch. Sizilianischer Barock: Nach 1693 begannen Bauleute, geprägt von der sizilianischen Lebensart und dem Stil des Barock mit dem Neuaufbau der Stadt. Eine neue Architektengeneration war herangewachsen, die an den Bauwerken Roms mitgewirkt und gelernt hat während ihrer Lehrzeit. >

.
Nun konnten sie ihre Kenntnisse anwenden für den Neuaufbau von Noto. Der Stil des Barock war beliebt. Nach 1730 waren die barocken Gebäude der Insel nicht mehr wegzudenken.   Sie wurden zu einer festen Größe sizilianischer Baukunst. Aber schon 50 Jahre später wurde das Barock vom Klassizismus abgelöst unter spanischer Herrschaft. Der barocke Baustil, eine europäische Besonderheit des 17. Jahrhunderts, trat auf Sizilien verschnörkelter, verspielter und in größerer Leichtigkeit auf. Das Spiel von Licht und Schatten, barocken Bauformen, beschränkte sich hier auf Kirchen und Paläste der Oberschicht. Örtliche Besonderheiten flossen in diesen sizilianisch spezifischen Baustil mit ein: Masken und Putten, Balkone mit schmiedeeisernen Geländern, Glockentürme wurden in die Bauwerke integriert und standen nicht mehr neben der Kirche wegen der Einsturzgefahr bei Erbeben.

Goethe war ein guter Naturbeobachter. 

Es gelang ihm, seine Beobachtungen in einen größeren Zusammenhang zu setzen. Er notierte Gesehenes, sein Begleiter fertigte Skizzen an. Während seiner Reisezeit war es nicht leicht, die alten Bauwerke/Ruinen zu finden. Ohne örtlichen Führer ging da nichts

So richtig vorstellbar sind die Wanderungen um 1787 für uns nicht mehr. Es gab nur Trampelpfade zu den Ruinenfeldern, die man mit den Maultieren passieren konnte. Gastwirtschaften oder Hinweise/Informationen gab es schon gar nicht. Auch die Einheimischen waren in den meisten Fällen keine Hilfe. Es sei denn, ihnen war bekannt, wo Baumaterial zu beschaffen war.

Goethe: 20.April 1787:

"Die Lage des Tempels ist sonderbar: am höchsten Ende eines weiten, langen Tales, auf einem isolierten Hügel, aber doch noch von Klippen umgeben, sieht er über viel Land in eine weite Ferne, aber nur ein Eckchen Meer. Die Gegend ruht in trauriger Fruchtbarkeit, alles bebaut und fast nirgends eine Wohnung. Auf blühenden Disteln schwärmten unzählige Schmetterlinge. Wilder Fenchel stand acht bis neun Fuß hoch verdorret von vorigem Jahr her so reichlich und in scheinbarer Ordnung, daß man es für die Anlage einer Baumschule hätte halten können. Der Wind sauste in den Säulen wie in einem Walde, und Raubvögel schwebten schreiend über dem Gebälke. Die Mühseligkeit, in den unscheinbaren Trümmern eines Theaters herumzusteigen, benahm uns die Lust, die Trümmer der Stadt zu besuchen ..." (S. 287)

.Besichtigungen bedurften einer persönlichen Empfehlung und Fürsprache ...

Goethe "Italienische Reise, Donnerstag, den 03. Mai 1787: 

"... Wir wurden zum Prinzen geführt, der, wie man mir schon bemerkt hatte, uns seine Münzsammlung aus besonderem Vertrauen vorwies, da wohl früher seinem Herrn Vater und auch ihm nachher bei solchem Vorzeigen manches abhanden gekommen und seine gewöhnliche Bereitwilligkeit dadurch einigermaßen vermindert worden. Hier konnte ich nun schon etwas kenntnisreicher scheinen, indem ich mich bei Betrachtung der Sammlung des Prinzen Torremuzza belehrt hatte. Ich lernte wieder und half mir an jenem dauerhaften Winckelmannischen Faden, der uns durch die verschiedenen Kunstepochen durchleitet, so ziemlich hin. Der Prinz, von diesen Dingen völlig unterrichtet, da er keine Kenner, aber aufmerksame Liebhaber vor sich sah, mochte uns gern in allem, wornach wir forschten, belehren..." S. 311)

.Eine Klosterfrau in diesem Outfit auf einem Hinweisschild wäre 1787 undenkbar gewesen ...
Heute ist es selbstverständlich, dass man angezeigt bekommt, wo etwas in einem Ort zu sehen gibt. Museen, Burgen, Schlösser, Hotels, andere Sehenswürdigkeiten werden aufgelistet, der Weg wird angezeigt - Eintrittspreise meistens auch ... Zur Zeit der Goethereise war man angewiesen auf Informationen von Freunden und Bekannten, von Bekannten in der Heimat und vor Ort.
Syrakus
.Eine Brücke verbindet seit grauen Zeiten die Insel Ortyga mit dem Festland ...
.
.
Heute hat die Stadt Syrakus 122 000 Einwohner. Der Kern der Altstadt liegt auf der Insel Ortyga, die durch eine enge Durchfahrt vom Festland getrennt und nur über eine Brücke zu erreichen ist. 734 v. Chr. wurde die Stadt gegründet und war die größte, volkreichste und bedeutendste Stadt des antiken Siziliens. 212 v. Chr. nahmen die Römer die Stadt ein. Bei der Plünderung durch römische Soldaten wurde Archimedes getötet. Später, als Araber die Herrschaft erobert hatten, begann der Niedergang von Syrakus. 

Palermo wurde zur Oberstadt ausgebaut. Syrakus versank danach in der Bedeutungslosigkeit. Weitere Herrscher wechselten sich bis 1693 u. Z. immer wieder ab, bis alles zerstört war. Dieses Trümmerfeld wurde später planvoll wie Noto im Stil des Barock aufgebaut und nach der Vereinigung  mit Italien - 1865 - zur regionalen Hauptstadt erklärt.

Kalkstein für den Wiederaufbau wurde in der Nähe der Stadt gewonnen.

Nach dem 2. Weltkrieg begann die Altstadt zu zerfallen; die Bewohner zogen weg. 1990 begann dann eine groß angelegte Sanierung der Altstadt. Heute sind die barocken Paläste und Kirchen in voller Pracht zu bestaunen. Der Dom von Syrakus wurde im 18. Jh. im Stil des Barock erbaut und kunstvoll wieder hergerichtet.

Schon im Jahr 44 n. Chr. entstanden in Syrakus die ersten christlichen Gemeinden, die sich wegen der Verfolgung in den Katakomben verbergen mussten. Vor den Toren der Stadt entstand im 3. Jh. n. Chr. Das griechische Theater in einer Größe von 140 x 190 Metern. Die Bühne ließ sich, wie bei vielen Theaterbauten der Zeit, mit Wasser zur Darstellung von Seekämpfen füllen.

Das Baumaterial Kalkstein wurde in einem nahen Steinbruch gewonnen. Dabei entstand eine große Grotte. Syrakus heute nimmt mit seiner Fläche nur einen kleinen Teil des antiken Territoriums ein. Große Teile des antiken Syrakus auf einer nahen Hochfläche sind heute unbesiedelt. Die Stadt war immer ein kulturelles, wissenschaftliches Zentrum und ist heute ein Touristenmagnet erster Güte geworden.

Taormina
.
Die Stadt auf dem Berg hat heute 11000 Einwohner. Gegründet wurde sie im 4. Jh. n. Chr. Die heutige Stadt ist eine Neugründung des 19. – 20. Jh. als wichtiges Tourismuszentrum. Durch die Lage, das milde Klima, der Nähe zum Ätna und dem griechischen Theater wurde sie von den Touristen angenommen. Sie ist 40 Kilometer entfernt vom Vulkan und gewährt freien Durchblick auf die ewige Rauchwolke, was sich im Preisniveau der vielen Restaurants und Cafés widerspiegelt. Ein Kaffee kostet so schlappe 4 Euro. Im 3. Jh. nach dem Ersten Punischen Krieg wurde die Stadt römische Provinz und viele Angehörige der Oberschicht ließen sich hier prächtige Villen und Paläste errichten. Zerstört wurde Taormina 962 u. Z. und erst im 13. Jh. wieder entdeckt, besiedelt und erneut aufgebaut. Danach verkam die Ansiedlung im 18 Jh. zu einem unbedeutenden Dorf. Erst der Tourismus belebte die Stadt wieder. Goethe hat daran einen nicht geringen Anteil. Man dankt ihm das mit einer Marmortafel

Sehr schmale Gassen prägen das Stadtbild

Durch seine „Sizilianische Reise“ wurde Taormina weit bekannt. Das milde Klima, die Lage - zur Winterzeit zog der Ort Adlige und Mitglieder der Oberschicht aus ganz Europa an. Der deutsche Kaiser Wilhelm II, die Kaiserin Österreichs und andere gekrönte Häupter weilten Wochen und Monate in Taormina. Nachdem die Bahnstation am Fuße des Berges fertiggestellt war, kamen auch die Filmgrößen der Zeit: Marlene Dietrich, Greta Garbo, Gary Grant u. v. a. m.

Urheber: "Taormina BW2012-10-05 16-23-06 Berthold Werr"

Urheber: "Taormina BW2012-10-05 16-23-06" Berthold Werr

Ein Magnet war auch das griechische Theater aus dem 2. Jh. v. Chr. Das Bühnenhaus gestattet den Besucher einen Durchblick auf den Ätna.

.
Vergleicht man den Besuch der Stadt von 2001 mit 2015, dann ist eindeutig ein Negativtrend erkennbar. Die romantische Ursprünglichkeit des Ortes hat stark gelitten. Café reiht sich an Café. 
Alte Paläste wurden in das neue Stadtbild einbezogen

.

.
Beobachtungen in Taormina   
.
Ein Restaurant neben dem anderen bietet seine Dienste zu gesalzenen Preisen an. Alle Sitzmöglichkeiten im Ort wurden beseitigt. Die Touristen sollen gefälligst die Gastwirtschaften aufsuchen, wenn sie sitzen wollen. Ein Lichtblick, die Kirchen nehmen noch keinen Eintritt. Ihre Türen stehen offen. Es ist dort ruhig, kühl und Sitzplätze sind ausreichend vorhanden. Noch vor Jahren boten viele Geschäfte von Einheimischen Waren an, die Touristen so benötigen. Jetzt sind große hochpreisige Marken dort eingezogen und haben in vielen Fällen auch das ganze Haus zum Geschäftshaus gemacht. Waren im Hochpreissegment werden angeboten: Handtasche 500 Euro, Damenstiefel in der gleichen Preislage … Einheimische haben dort scheinbar nichts mehr zu suchen. Die Angebote lassen Schlüsse zu auf die Klasse der Touristen, die kommen und die man sehen will. Der Ort ist zur Kulisse degradiert worden. Gewinnstreben und Kommerz haben eine Sehenswürdigkeit fast ausgelöscht …
.

Taormina, Montag, den 7. Mai 1787

"...Setzt man sich nun dahin, wo ehmals die obersten Zuschauer saßen, so muß man gestehen, daß wohl nie ein Publikum im Theater solche Gegenstände vor sich gehabt. Rechts zur Seite auf höheren Felsen erheben sich Kastelle, weiter unten liegt die Stadt, und obschon diese Baulichkeiten aus neueren Zeiten sind, so standen doch vor alters wohl eben dergleichen auf derselben Stelle. Nun sieht man an dem ganzen langen Gebirgsrücken des Ätna hin, links das Meerufer bis nach Catania, ja Syrakus; dann schließt der ungeheure, dampfende Feuerberg das weite, breite Bild, aber nicht schrecklich, denn die mildernde Atmosphäre zeigt ihn entfernter und sanfter, als er ist.

 

Wendet man sich von diesem Anblick in die an der Rückseite der Zuschauer angebrachten Gänge, so hat man die sämtlichen Felswände links, zwischen denen und dem Meere sich der Weg nach Messina hinschlingt. Felsgruppen und Felsrücken im Meere selbst, die Küste von Kalabrien in der weitesten Ferne, nur mit Aufmerksamkeit von gelind sich erhebenden Wolken zu unterscheiden.

Wir stiegen gegen das Theater hinab, verweilten in dessen Ruinen, an welchen ein geschickter Architekt seine Restaurationsgabe wenigstens auf dem Papier versuchen sollte, unternahmen sodann, uns durch die Gärten eine Bahn nach der Stadt zu brechen ..."

 

Agrigent - Villa Romana del Casale - Ätna
Catania - Cefalu - Messina
Albanien Homepage Südostasien Köstritz Spitzbergen Nordirland Ostseetour09-14 Ägypten06 Panamakanal2011 Transatlantik-Brasilien Schule Bad Köstritz Bulgarien05 Usbekistan07 Transatlantik07 Jordanien-Syrien Schwarzmeertour11 Schottland09 Island2012 Antarktika2010 Dubai2010 Rumänien2010 Baltikum2012 Nordamerika2012 Sibirientour2013 Südafrikatour Karibik2014 Kapadokien2014 Westeuropa2015 Grönlandtour2015 Sizilientour2015 Savona-Warnemünde2017 Wolgareise2017 Polarherbst2017 Donaureise2018 Grönland2018

 

 

PM12.2015