Haben sich die Pharaonen an den Archäologen gerächt? - Archäologen und Weltpresse
Die Ägypter bestatteten ihre Könige 1700 Jahre in Pyramiden. Es stellte sich aber heraus, dass diese wuchtigen Begräbnisstätten keinen Schutz vor Raub und Schändung darstellten. Erst für Thutmosis (1545-1515 v. Chr.) wurde unter strengster Geheimhaltung ein Grab am Westufer des Nil, gegenüber Theben, in einer Felsenkammer hergerichtet - im "Tal der Könige". 500 Jahre wurde diese Bestattungsform beibehalten. Allerdings, Schutz vor Grabräubern bot auch diese Bestattungsform nicht. Grabungen im 19. Jh. zeigten, kein einziges Grab war unberührt geblieben. Grabräuber fanden sich immer: Bereicherung oder wissenschaftliche Neugier waren der Ausgangspunkt.

Haben sich für die Störung der Totenruhe die alten Pharaonen gerächt? Hat die kleine gün-goldene Stechfliege Gift oder Krankheitskeime, von den Bestattern der Könige am Nil ausgelegt,  wirklich übertragen und einige Ausgräber mit dem Tode bestraft oder war das Insekt nur eine Erfindung der Weltpresse und nationalistischer Kreise?

Diese Frage bewegte nach 1922 die Zeitungen der Welt. Unzählige Deutungen und Begründungen aller wissenschaftlichen und unwissenschaftlichen Schattierungen wurden angeboten. Den Mittelpunkt der Berichterstattungen bildete kaum die wissenschaftliche Bedeutung der Grabfunde, die Einsichten in das ägyptische Staatswesen, das Leben der Pharaonen, sondern das geheimnisvolle Sterben der Archäologen, die Sensation. Die Auflagenhöhen bedeutender Zeitungen von Berlin, Paris bis New York stiegen gewaltig, weil die romantisch-geheimnisvollen Spekulationen bei den Lesern einen Kick erzeugten: Neugierige Forscher wurden für die Störung der Totenruhe selbst mit dem Tode bestraft, geheimnisvolle Kräfte sind am Werk! 

Neben der Befriedigung der Sensationslust wurde am Rande auch Wissen vermittelt über ägyptische Könige, besonders über Tut-ench-Amun, der mit jungen Jahren regierte, die Zügel des Staatswesens nie richtig in die Hand bekam, früh starb und sich darum nur ein kleines Felsengrab bauen lassen konnte. Nicht nur in den Sonntagsbeilagen der Zeitungen damals und heute wird der Archäologentod immer neu genüsslich aufbereitet, auch in den Schulstuben fand das Geschehen Einzug: Wer bestimmte Dinge hinterfragt, neugierig ist, muss mit empfindlichen Strafen rechnen ...

 
Zeitungsartikel von 1924, die sich mit der Rache der Pharaonen beschäftigen
Ägyptische Gifte   von Dr. Rudolf Hanslian 1922
Herr Dr. H. H. Ewers, hat es in seiner vorstehenden Veröffentlichung von sich aus unternommen, an das viel umstrittene Problem mit der Schärfe des gesunden Menschenverstandes heranzugehen: er sucht den Beweis zu führen, daß Lord Carnavon das Opfer einer wohlvorbereiteten Vergiftung geworden ist.
religiös fanatische oder nationalistische Geheimsekte, so müssen wir zunächst wissen, daß es Gifte gibt, die bereits in geringen Mengen in die Blutbahn gebracht, tödlich sind. Unter diesen Giften finden sich aber nun gewisse, wissenschaftlich noch recht wenig erforschte Arten, die sich weder chemisch noch physiologisch, noch - sagen wir medizinisch im Körper nachweisen lassen. Derartige hochgiftige Stoffe kommen fertig gebildet im Tier- und Pflanzenreiche vor, und namentlich unter den ersteren sind ganz erschreckend wirksame Eiweißkörper festgestellt worden. Es gehören dazu nicht nur Schlangengifte, deren Nachweis am Opfer infolge Zersetzung des Blutes (Hämolyse) glückt, sondern auch Amphibien-, Fisch- und wirbellose Tiergifte.
 Er schaltet dabei ganz folgerichtig alles Übersinnliche, wie Geisterrache und Okkultistenrummel, aus und folgert schließlich, daß eine Stechfliege den todbringenden Giftstoff, der bereits von den alten Ägyptern vor 3200 Jahren zum Schutze des Grabmales niedergelegt sei, aufgenommen und übertragen habe. Und hier muß ich ihm leider nicht allein vom logischen, sondern auch vom rein toxikologischen Standpunkte aus widersprechen.
Ich muß zunächst nachstehendes Tatsachenmaterial nebeneinander stellen.
Vorspiel: Mr. Theodore M. Davis, der Vorgänger Lord Carnavons, stirbt 1914 im Tal der Könige.
In dem Augenblick, als er glaubt, die Spur des Pharaonengrabes gefunden zu haben.

Trauerspiel: Entdeckung des Grabmals durch Lord Carnavon - Prophezeiungen und Warnungen aller Art an den Lord - Plötzliche Erkrankung und Tod Carnavons unter eigenartigen Umständen - verzicht der Familie auf weitere Ausgrabungen - Schwere gleichartige Erkrankung Mr. Caters - Breite Veröffentlichung einer augenscheinlich inspirierten englischen Presse, daß Überführung der Mumie nach England nicht beabsichtigt sei, daß vielmehr die Grabkammer nach erfolgter photographischer Aufnahme wieder geschlossen werden soll - endgültige Übertragung der Ausgrabung an das New Yorker Museum.
Die Ägypter sehen in den Gräbern der Pharaonen ihr größtes Heiligtum. Diese Ansicht wurzelt sowohl in den Anschauungen einer radikal nationalistischen Gruppe wie auch im religiösen Volksempfinden überhaupt. Schon vor Jahrtausenden wurde die Berührung der heiligen Grabstätten als ein Frevel angesprochen. Über den Grabkammern der Pharaonen stehen. die Worte eingemeißelt: ,,Verflucht sei, wer meine Ruhe stört!" Wiederholt sind Aufstände gegen Grabschänder englischer Nationalität ausgebrochen.
Aus diesem Tatsachenmaterial kann man folgern, daß den Tod Lord Carnavons, die plötzliche Erkrankung Mr. Carters und wohl auch den Tod Mr. Davis geheime Kräfte bewirkt haben müssen. Die Mörder entstammen zwar nicht dem Geisterreiche, aber mit dem Gewebe der Romantik des Orients sind ihre Taten umsponnen. Geheimnisvoll war die Ausführung der Tat, geheimnisvoll sind die Mittel, deren sie sich dazu bedienen mußten, um den erwünschten übersinnlichen und nachhaltigen Eindruck einer Pharaonenrache hervorzurufen. Um diese Schleier zu lüften, müssen wir uns auf das Gebiet der wissenschaftlichen Kriminalogie begeben.
Es ist dieses ein Neuland, dem allseitig noch viel zu wenig Beachtung geschenkt wird. Wie der Name sagt, setzt es sich zusammen ans den beiden Faktoren: Wissenschaft und Kriminalkunde. Beides sind durchaus reale Betätigungen, die für den ,,Schleier geheimnisvoller Romantik" recht wenig Verständnis zeigen, ihn rücksichtslos zerreißen und dahinter nackte Tatsachen finden. Beurteilen wir nun mal vom Standpunkt eines derartig modernen Sherlok Holmes die Möglichkeiten eines nicht nachweisbaren, gewaltsamen Todes Lord Carnavons durch irgend eine 
Die wissenschaftliche Forschung hat auf diesen Gebieten infolge Schwierigkeit der Materialbeschaffung noch wenig klärend wirken können, dagegen ist sehr wohl anzunehmen, daß die Wirkung derartiger Naturgifte gewissen Kreisen des Orients recht gut bekannt ist, wenn sie auch von ihren Kenntnissen aus durchsichtigen Gründen wenig Aufhebens machen. Werden diese Gifte entnommen und dem menschlichen Körper durch einen Stich oder Hautriß zugeführt, so tritt ihre tödliche Wirkung je nach Art und verabfolgter Menge sehr bald oder auch sehr spät ein.
Die ärztliche Bekämpfung derartiger Vergiftungen ist, sobald es sich um ein unbekanntes Eiweißgift handelt, sehr problematisch. Vermutlich wird der Mörder, der dem Lord den todbringenden Stich mit einer derartig vergifteten Nadel zugefügt haben dürfte, in den nationalistischen Kreisen Ägyptens zu suchen sein, eine den Engländern bereits bekannte Tatsache, die von ihnen aber aus politischen Gründen geheimgehalten wird.

Epilog des Trauerspiels: Ein finanziell stark an den Ausgrabung interessierter Amerikaner besichtigt die Grabkammer, brüstet sich in Amerika, daß er das ungefährdet tun durfte, und stirbt 8 Tage nach seiner Erzählung unter gleichen Krankheitserscheinungen wie Lord Carnarvon - Amerika und das Neuyorker Museum verhandeln nicht weiter - Mr. Carter gesundet und nimmt die Ausgrabungen wieder auf - Nationalistenbewegung in Ägypten - die ägyptische Regierung verbietet Mr. Carter die weitere Ausgrabung.
Das Beweismaterial für meine Hypothese hat sich demnach vervollkommnet. Für eine restlose Klärung fehlen nur noch einige Untersuchungen und Vernehmungen an Ort und Stelle. Aber der vorliegende Indizienbeweis spricht schon zur Genüge gegen die Folgerung, daß eine Fliege der Täter war.
Wäre eine solche Möglichkeit überhaupt gegeben, so muß es doch zunächst mal auffallen, daß sie nicht weiter wirkt. Wie kommt es, daß nur die prominenten Führer der Ausgrabungen, Carnarvon, Carter, und die Amerikaner getroffen werden, dagegen die zahlreichen Träger und Helfer, die wochenlang in und an der Grabkammer arbeiten, verschont bleiben?

Eine Immunität der Eingeborenen kommt hier keinesfalls in Frage. Aber ein viel stärkerer Gegenbeweis liegt darin, daß derartig schwere, unerklärliche Vergiftungserscheinungen einzig und allein durch organische Eiweißkörper mit begrenzter Haltbarkeit hervorgerufen werden, unbegrenzt beständige, anorganische Gifte sind niemals in kleinsten Mengen so wirkungsvoll. Auch die Giftgastechnik des Weltkrieges kannte nur wirksame, organische Verbindungen. Die Haltbarkeit der Eiweißgifte ist begrenzt. Physiologisch-chemische Untersuchungen an tausendjährigen Mumienteilen habe einen starken Zerfall der Eiweißkörper gezeigt, der bei giftigen Eiweißstoffen eine Entgiftung zur Folge haben würde.

Sichern der Mumien für den Transport nach Kairo Grabkammer: wichtige Gegenstände für die Reise in die Ewigkeit  wurden bei der Bestattung in großer Eile abgelegt
Die Rache des Pharao von Hans Heinz Ewert 1924
   
Die Presse der Welt ist immer noch in großer Aufregung über den geheimnisvollen Tod des Lord Carnavon, des Entdeckers des Grabmals Tutanchamons. Heute noch, viele Monate später, will man sich darüber nicht beruhigen. Was bedeutete für amerikanische Blätter beispielsweise die Ruhrbesetzung? Drei bis zehn Zeilen täglich. Aber die giftige Fliege, die dem Leben des englischen Lords ein Ende setzte, surrt täglich über wenigstens eine große Spalte und ist in seitenlangen illustrierten Artikeln das Entzücken der Leser der Sonntagsbeilagen. Sir Conan Doyle, Miß Maria Corelli und alle Mystagogen auf beiden Seiten des Atlantic lassen sich interviewen oder geben in Vorträgen einem staunenden Publikum ihre Meinung kund.
Was ist der Tatbestand? Lord Carnavon kam, lungenleidend, vor etwa zwanzig Jahren zum ersten Ma1e nach Ägypten; er bezog in Luxor das Winterpalasthotel, wo es ihm so gut gefiel, daß er alljährlich dorthin zurückkam. Er interessierte sich bald für Ausgrabungen, erwarb eine Konzession und setzte sich mit dem tüchtigen Howard Carter in Verbindung, der die Ausgrabungen leitete. Nach manchen Jahren gelang es Carter, das Grab Tutanchamons zu finden.
Er benachrichtigte sofort den Lord. Als man an die Öffnung des Grabes schritt, wurde Lord Carnavon von einer giftigen Fliege oder auch einem Moskito gestochen. Er starb dann infolge dieses Stiches.
Alles, was rationalistisch denkt, findet das äußerst einfach und natürlich und ist entrüstet über den romantischen Rummel des Sherlock-Holmes-Erfinders Doyle, des Okkultisten Lancellin, des Magiers Cyama und aller anderen Theosophen, Spiritisten, Mystiker und Rosenkreuzer.

Die Vernunft muß und soll triumphieren. Sie allein sagt die Wahrheit, und wenn diese auch noch so klein und armselig sei. Alles, was der gesunde Menschenverstand nicht fassen kann, gehört ins Reich der Dichtung und somit der Lüge.
Aber ist nun der sogenannte gesunde Menschenverstand wirklich das einzig Maßgebende? Wirklich dasjenige, wonach man sich immer und immer und unter allen Umständen richten soll? Wenn es so wäre, würde die Welt verdammt langweilig sein. Es ist schon langweilig genug, daß es im Winter stets weißen Schnee schneit und im Mai alle Bäume grüne Blätter bekommen. Warum kann es nicht einmal blau oder rot schneien? Wäre es nicht sehr viel hübscher, wenn - nur zur Abwechslung einmal - am Apfelbaum statt der grünen Blätter Leberwürste und Sardinenbüchsen wüchsen oder meinetwegen Zahnbürsten?
Der Gedanke also, daß eine kleine giftige, goldgrüne Fliege das Grab des toten Königs bewacht und die Grabschändung rächt, ist gewiß sehr viel poetischer als die Annahme all der Fanatiker der Vernunft!
Die drei großen Mächte, die alle Menschenerkenntnis bewegen, sind: das Gefühl, die Vernunft und die Erfahrung.

In unzähligen Fällen hat die Vernunft Tatsachen, an die das Gefühl für Jahrhunderte, Jahrtausende fest glaubte, über den Haufen geworfen und verlacht. Aber in manchen dieser Fälle ist zuguterletzt die Erfahrung gekommen und hat uns gelehrt, daß häufig genug das Gefühl doch nicht so ganz unrecht hatte. Wäre es nun nicht möglich, daß auch in unserem Falle die Erfahrung die sich stets bekämpfenden Mächte "Gefühl und "Vernunft" versöhnen könnte?
Es ist gewiß, daß die Ägypter alles taten, um die Grabstätten ihrer Könige vor Raub und Schändung zu schützen. Bisher ist auch nicht ein einziges Grab aufgefunden worden, das nicht schon vor sehr langer Zeit einmal ausgeraubt worden wäre. Selbst das Grab Tutanchamons, das bisher von allen Funden die reichste und vollkommenste Ausbeute gab, ist, wahrscheinlich kurz nach dem Tode des Königs, beraubt und dann wieder geschlossen worden. Und sind die wissenschaftlichen Ausgrabungen unserer Zeit letzten Endes etwas anderes als Raub und Grabschändung?
Sehr erhebend ist es jedenfalls nicht, wenn man im ägyptischen Museum zu Kairo Ramses den Großen im Glaskasten ,,N" liegen sieht und die anderen Könige, hübsch rubriziert, nach Buchstaben, in den anderen Kästen; von ,,0" an ist noch frei!

Da wird noch weiterer Besuch erwartet. Riegel und Siegel beschützen kein Grab; auch wird es die beste Wächtertruppe nur so lange tun, als irgendwer sie bezahlt. Nun wissen wir aber, daß bei manchen Gräbern die ägyptischen Priester noch ein anderes Mittel zur Sicherung anwandten, das zwar nicht unfehlbar war, aber doch den Grabschändern unter Umständen einen empfindlichen Denkzettel geben konnte, nämlich: Gift. Die Zubereitung sehr vieler Giftstoffe aus allen möglichen Zeitaltern und Weltgegenden ist uns heute verlorengegangen, beispielsweise streiten sich noch jetzt die Toxykologen darüber, was eigentlich "Aqua tofana" gewesen sei. Giftig aber sind an und für sich die wenigsten Insekten; sie übertragen nur einen ihnen selbst unschädlichen Giftstoff auf den Menschen, den sie stechen.
Wie nun, wenn die kleine goldgrüne geheimnisvolle Fliege von dem Gifte, das irgendwo an dem Grabmalstor des Königs angebracht war, genascht und mit diesem Gifte Lord Carnavon den tödlichen Stich versetzt hätte?
Könnte man dann nicht wirklich von einer "Rache des Pharao" reden?"
Ich denke, man kann es. Den Menschen, die ihren geliebten Toten beisetzten, ist es wirklich herzlich gleichgültig, ob das Grabmal zu gewinnsüchtigen oder zu wissenschaftlichen Zwecken ausgeraubt wird; sie werden es in jedem Falle Grabschändung nennen. In ihrem Sinne hat das Gift seine Schuldigkeit getan; in ihrem Sinne ist die vielbesprochene geheimnisvolle Fliege ganz gewiß die Rächerin des toten Königs.
1922 Abtransport von Sargteilen Einheimische Träger transportieren Türen Besucher im Tal der Könige um 1922
 
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pm 03/2006